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The French Connection
 

Zwei Rally Füllfederhalter
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 

von Det Baumann
erschienen Oktober 1998 im
 Stylophile's Online Magazin
für Enter-Net überarbeitet und
übersetzt aus dem Englischen
Februar 2000

Eine Kollektion? Nein ... nicht wirklich. Vier Füller machen doch noch keine Kollektion, oder? Kommt noch dazu, dass ich mit weniger als 60 Schreibgeräten insgesamt und weniger als drei Jahren Sammelerfahrung weit von einem Füller-Experten entfernt bin, gar nicht zu reden von französischen Füllern.

Was wusste ich über Füller, als ich diese verrückte Leidenschaft startete - oder besser, als diese verrückte Leidenschaft mich startete? In Deutschland aufgewachsen, kannte ich natürlich Pelikan und Montblanc, GeHa's waren meine Schulfüller, ich hielt Lamy für eine französische und Waterman für eine amerikanische Marke (was sie ja auch mal war). Ich hatte noch eine Menge zu lernen. Ich hatte noch nie von Wahl gehört, von Eversharp noch weniger. Ich dachte, der Parker Jotter sei ein recht teurer Kugelschreiber und teilte die Ansicht meiner Frau: "Du kannst doch nur mit einem Füller zur Zeit schreiben, warum also einen zweiten kaufen?" Sie hat, im Gegensatz zu mir, ihre Ansicht nicht geändert...
Heutzutage entdecke ich jeden zweiten Tag eine neue Marke und finde die ganze Sache sehr aufregend.

Für diesen Artikel wählte ich von meinen vier französischen Oldtimer-Füllern zwei RALLY 10.

Zum Vergleich mit dem honigfarbenen RALLY 10 musste der Pelikan M800 herhalten. Der Pelikan ist weitverbreitet, hochgelobt und hat nahezu die gleichen Ausmasse wie der RALLY. Beides sind Kolbenfüller.
 

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Meinen ersten klassischen französischen Füller ersteigerte ich auf Werner Kleinhorsts Online Auktion. Er war teuer - für meine damalige Vorstellung jedenfalls. Ich hatte nur die Abbildung und die Beschreibung des Füllers auf Werners Seite, ich hatte nie zuvor von dieser Marke gehört, was nicht viel hiess bei meinem Wissensstand.

Ich weiss noch gut, was damals in mir vorging. Vom Zeitpunkt meines Gebots bis zum Eintreffen des Füllers bei mir. Was hatte ich mir da eingehandelt, war er wirklich so schön wie auf der Abbildung? Würde ich Werners Begeisterung für diesen Füller, die er mir per Email zukommen liess, teilen können? Würde er so gut schreiben, wie ich es mir wünschte? Denn eins wusste ich schon damals, reine Vitrinenhocker kämen für mich nicht in Frage. Ich wollte mit meinen Füllern schreiben - sie zum Leben erwecken, meine Handschrift - die eines auf Rechts geschuhriegelten Linkshänders - an ihnen messen und, wenn möglich, mit ihrer Hilfe verbessern.

Mein erster Eindruck nach Eintreffen des heissersehnten Päckchens war überwältigend. Ich war sofort begeistert von dieser spürbaren Qualität. Im Vergleich zu seinen zeitgenössischen Konkurrenten mit bekannteren Namen entspricht der Rally dem höchsten Standard der Handwerkskunst.

Die zeitliche Einordnung fällt mir schwer, ich habe keinerlei verlässliche Hinweise in meinen Fachbüchern gefunden. Vergleiche mit anderen Markenfüllern ähnlicher Bauweise ergeben einen Zeitraum ab 1935 bis in die 50er Jahre. Für Hinweise aller Art bin ich sehr dankbar.  Email

Das ungewöhnliche Zelluloid dieses Füllers muss sehr sorgfältig abgelagert worden sein, nicht die geringsten Spuren von Schrumpfungen, wie man sie sonst so häufig an Zelluloidfüllern dieses Alters findet. Beim Auf- und Abschrauben der Kappe spürt man die Präzision des Gewindes, wie man sie vom Acrylfüller Parker Centennial oder vom Edelharzfüller M800 her kennt. Die Qualität zeigt sich also schon beim Aufschrauben, was für mich sehr wichtig ist. Es ist ein Teil der Zeremonie des Schreibens mit einem Füller. Wenn dies gut funktioniert, habe ich genügend Zeit, eine positive Stimmung aufzubauen, meine Gedanken zu sortieren und den ersten Satz im Kopf zu formulieren.

Der Rally besteht aus einem Zelluloid, wie ich es noch bei keinem anderen Füller gesehen habe. Der mittlere Teil des Halters zwischen Kappengewinde und Füllknopf ist aus transparentem Zelluloid, das mit einem Netz aus goldenen Adern durchzogen ist. So sieht man nicht nur in die Tintenkammer, sondern kann beim Füllen dem Kolben und der Korkdichtung bei der Arbeit zusehen. Der Füllknopf besteht aus zwei Teilen. Das kleine schwarze Endstück, das designerische Gegenstück zum Cliphalteknopf an der Kappe, ist am Füllknopf mittels eines kleinen Splints aus Hartgummi gehalten. Dieser ist der Kontur des Endstücks so angepasst, dass man ihn mit blossem Auge kaum entdeckt. Entfernt man den Splint, können die Füllknopfteile abgezogen und das Kolbensystem herausgedreht werden.
 
Alle Teile des Füllers passen perfekt und nirgendwo stört eine Materialstufung oder Rille die Stromlinienform. Die Kappe ist, wie der Füll- knopf, gold- geädert auf schwarzem Untergrund, transparent ist der Füller also nur im Bereich von Tinte und Kolben. french3.jpg (21731 bytes)

Die schwarze Clipschraube hält einen Ringclip mit kleiner Öse, welche mittels einer Aussparung im Kappenrand vollkommen verschwindet, wenn der Clip montiert ist. Diese spezielle Art eines Clips mit verstecktem Ring findet man bei etlichen französischen Modellen aus der Zeit, wie Stylomine, Edacoto, Mallat, Bayard, etc. Der mit einem Linienmuster dekorierte Clip besteht aus goldplattiertem Messing. Er erscheint mir etwas zu kurz geraten für diesen grossen Füller. Das ist aber auch schon alles, was ich an dieser Schönheit auszusetzen habe. Das Griffstück besteht aus schwarzem Zelluloid, die leicht konkave Form sorgt für sicheren und bequemen Halt. Das leicht überstehende Gewinde könnte allerdings bei verschiedenen Haltepositionen stören. Die gleiche Problematik findet sich übrigens auch am M800.
 
french5.jpg (7909 bytes) Es scheint, dass die Federn für die Rally-Füller zugekauft wurden, wie es oft bei kleinen Marken oder "Private Label" Produkten geschah.  In diesem sitzt eine Feder des bekannten deutschen Spezialisten Bock mit dem markentypischen Emblem, dem Steinbock im Kreis vor einer stilisierten Bergsilouette. Es ist eine grosse 14K Feder Stärke OM. Sie hat genügend Flexibilität, um mit etwas Druck eine breitere Linie zu bekommen, als man von dem Korn mittlerer Breite erwarten würde. Die vergleichsweise unflexible Feder des M800 kann da jedenfalls nicht mithalten.
Der Tintenleiter aus Hartgummi hat die für die 30er Jahre typische Leiterform und versorgt die Feder mit einem satten und gleichmässigen Tintenfluss. Zusammen mit dem grossen Tintenvorrat und dem wesentlich geringeren Gesamtgewicht im Vergleich zum schweren M800 kann man mit diesem Füller eine kleine Ewigkeit schreiben, ohne dass die Hand verkrampft. french5.jpg (7909 bytes)

Für den schwarzen RALLY 10 nahm ich einen Parker Duofold Sr. zum Vergleich. Dieser RALLY 10 kam von Craig Bozorth, einem amerikanischen Sammler. Craig annoncierte ihn als "eine weitere Duofold-Imitation".  Sicher ist der RALLY technisch gesehen eine Duofold-Kopie, jedoch kristallisierten sich einige Unterschiede heraus. Wie der Duofold ist der RALLY ein grosser Knopffüller mit Blindkappe über dem Füllknopf und geschraubtem Griffstück. Auch bei diesem zweiten RALLY passen alle Teile aus schwarzem Zelluloid perfekt zusammen. Das Griffstück ist ebenfalls aus Zelluloid, nicht wie bei den meisten anderen Füllern dieser Zeit aus Hartgummi.
 

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Für einen direkten Vergleich wäre wohl ein Streamline Duofold besser gewesen. Leider habe ich im Moment keinen in der Sammlung. Der Streamline Duofold kam 1929 heraus. Man muss wohl einige Jahre hinzurechnen, bis die Stromlinien-Mode nach Europa schwappte. Obwohl man nicht unterschätzen darf, dass europäische Hersteller schon früh ihre eigenen Wege gingen, was Design und Mechanik ihrer Füller anging.
Nur nimmt der Duofold hier wohl eine Sonderstellung ein. Er beherrschte das damalige Hochpreissegment und beeinflusste viele Entwicklungsabteilungen.

Eine Legende betreffend RALLY wurde mir erzählt. Es könnte sich möglicherweise um das Private Label des in Paris ansässigen Generalbevollmächtigten für Parker USA handeln. Diese Meldung ist aber bisher unbestätigt geblieben!

Im Vergleich zum Streamline Duofold kommt der RALLY wesentlich glatter, schörkelloser, eleganter daher. Die Linien sind fliessend und verjüngen sich nur leicht zu den beiden Enden hin. Die Endkappe über dem Füllknopf passt so gut auf den Halter, dass auf den ersten Blick gar nicht zu erkennen ist, dass man hier überhaupt etwas abschrauben kann. Beide Enden des Füllers sind im gleichen Winkel sauber abgeschrägt.

Auch das Abschrauben der Füllerkappe vermittelt wieder dieses Gefühl von Qualität, nichts rattert, quietscht oder hat zuviel Spiel. Das ungewöhnlichste Designmerkmal für einen 30er Jahre Füller aber ist die besonders lange Kappe, die fast die Hälfte der Gesamtlänge ausmacht. Diese Proportionen sind ihrer Zeit weit voraus, wie man am M800 sieht..

Zusammen mit den spärlich eingesetzten Dekorationen, nur ein schmales Kappenband und der vorher schon besprochene eher zu kurze Clip, macht dieser Rally 10 einen äusserst eleganten Eindruck auf mich. Ein bisschen, als hätte der geistige Vater von Dr. Manfred Lamy den Bleistift zu seinem Entwurf geführt.
 
In diesem Füller - der ja auch aus den USA kam - steckt eine grosse WARRANTED 14K USA Feder mit einem Hartgummi-Tintenleiter ähnlich dem der grossen Sheaffer Flattops. Die Feder hat sehr lange Schenkel und ist nicht zuletzt dadurch eine wirklich flexible Feder. Das Korn ist nach amerikanischen Massstäben Medium, für Europäer tendiert es eher nach Fein. Aber die beschriebene Flexibilität lässt mit entsprechender Übung Linien bis zu Breite B zu. french5.jpg (7909 bytes)

 
french7.jpg (8047 bytes) Tinte fliesst reichlich, ein Kleckser, wenn man ihn schüttelt. Aber das ist wohl dem altertümlichen Tintenleiter zuzuschreiben, der nicht viel Tintenüberschuss ausgleichen kann.
Dieser Füller eignet sich hervorragend für die gefürchtete Parker Penman Sapphire Tinte. Es funktioniert - auch nach zwei Wochen des Herumliegens - ohne Eintrocknen oder Verkleben der Tintenkanäle.
Der gefüllte Halter wiegt gleich viel wie der honigfarbene Rally oder der alte Duofold, ist also wesentlich leichter als der M800. Und genau dieser Aspekt sorgt auch bei mir immer noch für Verwirrung.  french8.jpg (16684 bytes)

Moderne Schreibgeräte - Hersteller glauben, Qualität müsse man auch am Gewicht spüren. Und ich falle auch immer wieder darauf rein, wann immer ich einen Füller in die Hand nehme. Aber wenn es erstmal ans Schreiben geht, wäre ich nach einigen Sätzen für jedes Gramm dankbar, das die schweren Statussymbole weniger wiegen würden. Aber vielleicht ist das auch nur eine Frage der Praxis...

Wenn ich einige Seiten von Hand schreiben müsste, welchen der hier vorgestellten Füller würde ich wählen?
Keine Frage - den Swan Leverless mit der grossen 6er Feder, oder den Oversize Waterman 100 Year mit noch grösserer Feder, oder den Montblanc 138 mit der wundervollen superflexiblen CN-Feder, oder...
Nein, war ja nur ein Spass...

Hier ist ein praktisches Beispiel. Ich schrieb den Artikel zuerst von Hand und hackte ihn später in die Tastatur.
Der honigfarbene Rally war ausser Betrieb, da er sauber ausgewaschen auf seinen Fototermin harrte. Ich schrieb also den Artikel mit dem schwarzen Rally und machte die Korrekturen, es bedurften derer viele, mit dem Pelikan M800. Man will ja schliesslich auch seinen Spass haben!

Werner Kleinhorsts Enter-Net Auktion findet man unter Enter-Net Auktion

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