The Joy of Flex
oder was sind flexible Federn ?

von Bill Riepl

erschienen Oktober 1998 im
 Stylophile's Online Magazin
für Enter-Net adaptiert, überarbeitet
und aus dem Englischen übersetzt
von Det Baumann, Februar 2000


Manchmal erscheinen sie einem als "Heiliger Gral" der Füllfederhalter. Eines der ersten Dinge, über die du hörst, wenn du diesem seltsamen Begehren verfallen bist, einen Gegenstand zu benützen, der derart "old fashioned" ist wie ein Füllfederhalter, ist die "flexible" Feder. Angeregt durch einige Beschreibungen, könntest du auf den Gedanken kommen, solche Federn seien ein lebenswichtiger Teil einer jeden Sammlung und du als Sammler könntest versagt haben, wenn du nicht mindestens eine, oder ein Dutzend oder so in deiner Sammlung hättest.

Nun denn, sei beruhigt, dem ist nicht so. Ich kenne keine Vorschrift, die flexible Federn vorschreibt, damit man sich als erfolgreicher Sammler bezeichnen kann. Flexible Federn können schwierig in der Benutzung sein, sind leichter zu beschädigen und sorgen für Spitzenpreise bei alten Füllern. Andererseits, du könntest eine Menge Spass verpassen, wenn du nicht mindestens eine "im Stall" hättest.

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Zuerst einige Erklärungen zum technischen Jargon. Das Schreibkorn ist, wie der Name schon sagt, die Spitze der Feder, der Teil, der tatsächlich das Papier berührt. Normalerweise ist es ein Iridiumkorn, das an das Gold oder den Stahl angelötet wird, obwohl einige billige Stahlfedern auch ohne Iridium auskommen müssen. Die Gabeln sind die zur Spitze hin geschwungenen Teile der Feder, geteilt durch den Schlitz, der in die Feder geschnitten ist. Die Schulter ist der breiteste Teil der Feder. Das Luftloch ist am Ende des Schlitzes in die Feder gestanzt. Es ist nicht zwingend an allen Federn zu finden. Moderne Watermans kommen zum Beispiel ohne Luftloch aus, aber nahezu alle alten Federn haben eines. Die Basis ist der untere Teil der Feder.

Wollen wir mal einen Blick auf das werfen, was eine Feder "wirklich" flexibel macht. Das Wort "wirklich" steht in Anführungszeichen, weil viel über die Flexibilität in Federn debattiert wird und warum diese oder jene Feder flexibel genannt werden sollte. Einführend kann man sagen, alle Federn sind flexibel, bis zu einem gewissen Grad. Ob aus Gold, Stahl oder einer anderen Legierung, die Gabeln der Feder spreizen sich, wenn Druck aufgesetzt wird. Allerdings, eine flexible Feder hat einen wesentlich höheren Grad an Flexibilität in den Gabeln als eine steife Feder.

Es sind eine Menge verschiedener Faktoren, die zu dieser Flexibilität führen. Was man augenfällig bemerken wird, wenn man eine flexible Feder mit einer steifen Feder vergleicht, ist die Länge der Gabeln. Wie im Bild unten zu sehen, ist die flexible Feder, diese stammt von einem frühen Boston Sicherheitsfüller, schmaler gebaut mit proportional längeren Gabeln als die wesentlich steifere Sheaffer Lifetime Feder. Je länger die Gabeln, desto flexibler werden sie sein, wenn alles andere gleich ist.

Natürlich, alles andere wird vermutlich nicht gleich sein! Ein zweiter Faktor, der üblicherweise bei der Konstruktion von flexiblen Federn zählt, ist deren Materialdicke. Je flexibler die Feder, desto dünner wird sie sein. In einigen Fällen kann das wenig ausmachen und man wird kaum einen Unterschied sehen können, in anderen kann es durchaus augenfällig sein. Vergleicht man zum Beispiel die Materialdicke einer frühen Sheaffer Lifetime Feder mit einer Waterman #6, wird man feststellen, dass die Sheaffer Feder etwa 0,8 mm dick ist, während die Waterman Feder etwa halb so dick ist! Welche wird wohl flexibler sein...?

Aber zusätzlich zu den beiden Faktoren Materialdicke und Länge der Gabeln ist ein dritter wichtiger, ja übergeordneter Faktor zu berücksichtigen. Dieser ist die präzise Legierung des Goldes (oder Stahls, aber für diesmal wollen wir der Einfachheit halber nur Goldfedern vergleichen), sowie die Art der Härtung. Es scheint da ein modernes Missverständnis zu geben in Bezug auf den Unterschied zwischen 18K und 14K Gold, was dessen Potential an Flexibilität betrifft. Vom metallurgischen Standpunkt aus gesehen ist der Unterschied zwischen 14K und 18K Gold beträchtlich. 14K Gold besteht zu etwas mehr als der Hälfte aus reinem Gold, 0,585 um es genau zu sagen, während 18K Gold zu drei Vierteln rein ist, also 0,750. Im europäischen Raum wird man die Markierungen 585 und 750 für 14K bzw. 18K finden.

Der Unterschied wird jedoch wesentlich akademischer, wenn man es vom Standpunkt aus betrachtet, wie sich das Metall im Gebrauch tatsächlich verhält. Die anderen in diesen Legierungen vorkommenden Metalle sind hauptsächlich Silber und Kupfer. So ergeben 14 Teile Gold, 6 Teile Kupfer und 4 Teile Silber 14K Gold und 18 Teile Gold, 3 Teile Kupfer und 3 Teile Silber 18K Gold. Die Proportionen sind also verschieden und das purere 18K Gold wird weicher sein als das 14K Gold, aber nicht genug, um einen wirklichen Unterschied auszumachen. Die Konstruktion der Feder und die Art, wie das Metall behandelt und gehärtet wurde, machen den wahren Unterschied aus. Den Nachdrucken eines Scientific American Artikels aus dem Jahr 1912 zufolge wurden Waterman Federn endgefertigt, indem die Gabeln von Hand hin- und herbewegt wurden, bis sie den richtigen Grad an Flexibilität bekamen, ohne dass sie zu weich oder geschwächt wurden.
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flex3.jpg (14906 bytes) Zusätzlich zu diesem Veredelungsprozess, der in ein Metall grösserer Elastizität mündet, spielt auch die Beschaffenheit des Querschnitts einer Feder eine grosse Rolle bei deren Schreibverhalten. Bei Federn mit grosser Flexibilität sieht man, dass das Material im vorderen Bereich der Schulter am dünnsten ausgewalzt ist und zum Schreibkorn hin wieder etwas dicker wird. Moderne Federn sind normalerweise nahezu umgekehrt konstruiert, bei ihnen wird das Material zur Spitze hin dünner. Das Material bei sehr steifen Federn behält seine Dicke durch die ganze Länge der Feder unverändert bei.
Also, hier haben wir nun die flexible Feder. Passend geformt, lange Gabeln, die im Bereich der Schulter dünn ausgewalzt sind und dicker an der Spitze, korrekt veredelt, um ihr die richtige Elastizität zu geben.
Jetzt was? Nun, wollen wir versuchen, es herauszufinden....

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